Allgemein

Den täglichen Weg zur Arbeit elektrisch zurücklegen, für die längere Tour am Wochenende den Benziner nutzen. So stellen sich die Autohersteller am liebsten den Einsatz eines Plug-in-Hybrids vor und nennen diese Technik selbstbewusst „Das Beste aus zwei Welten“.

Ob da was dran ist, haben wir zwei Wochen lang mit einem Seat Leon ausprobiert und dabei so manche neue Entdeckung gemacht. Der Leon ist bei Seat das Einstiegsmodell in die Hybridwelt. Seine technische Basis liefert Volkswagen, sie steckt auch Golf GTE.

Design

Im Vergleich zu seinem Wolfsburger Pendant tritt der Spanier deutlich sportlicher auf, wirkt athletischer und knackiger proportioniert. Langweilig ist er zumindest nicht. Seinen besonderen Antrieb sieht man ihm nicht sofort an. Erst der Blick auf den vorderen linken Kotflügel entlarvt den Leon als elektrifizierte Version. Hinter der kleinen Klappe steckt der Stromanschluss. Auch die Räder haben die Designer anders gestaltet und auf eine bessere Aerodynamik getrimmt, stets im Hinblick auf mehr elektrische Reichweite.

In der sogenannten FR-Linie, mit der der Testwagen ausgestattet war, geht es auch im Interieur recht sportlich zu. Seat möchte hier vor allem jüngere Kunden ansprechen. Die Sitze sind schalenförmig ausgeprägt und bieten guten Seitenhalt, das Lederlenkrad ist im häufig genutzten Griffbereich (9 und 3 Uhr) dicker und sogar perforiert.

Auf der Mittelkonsole, dort, wo sonst der Schalt- oder Automatikhebel prominent seinen Platz beanspruchte, lugt jetzt nur noch ein Bonsai-Hebelchen hervor. Bedient wird er per „Shift by Wire“, also nur noch elektronisch und ohne mechanische Verbindung zum Getriebe. Vor dem Shifter hat Seat einen Smartphone-Schacht zum kabellosen Laden, dahinter die Cupholder platziert.

Komplett digitalisiert wurde das Cockpit im Leon. Die Instrumente lassen sich in fünf unterschiedlichen Designs darstellen. Hierzu reicht ein Klick auf den „View“-Button am Lenkrad. Nach einigem Hin und Her haben wir es jedoch bei der klassischen Konfiguration belassen. Mehr Aufmerksamkeit bei der Bedienung verlangt der Touchscreen in der Mitte des Armaturenbretts. VW und damit auch Seat haben sich hier, dem Trend der Smartphone-Generation folgend, für eine weitgehende Bedienung ohne Knöpfe und Schalter entschieden. Temperatur und Lautstärke beispielsweise können über einen Slider eingestellt werden. Der Zeigefinger wischt dabei nur zart über die Oberfläche unterhalb des Displays.

Etwas Eingewöhnung erfordert der Touchscreen. Er reagiert teils träge und man drückt intuitiv das Symbol vorschnell zweimal. Gewünscht hätten wir uns einige Symbole in größerer Darstellung. Jenes der Sitzheizung zum Beispiel, es geriet recht klein und erfordert eine hohe Treffgenauigkeit, die während der Fahrt zu einer unnötig langen Ablenkung führt.

Sehr angenehm ist im Seat Leon das Raumgefühl. Auch auf der Rücksitzbank haben erwachsene viel Beinfreiheit, stoßen nicht gegen die vorderen Lehnen. Der Kofferraum fasst im Minimum 270 Liter, die Lehnen der Rücksitze lassen sich im Verhältnis 40:60 geteilt umlegen. Das Gute dabei: Die Sicherheitsgurte müssen vorher nicht beiseite genommen werden und klemmen auch beim Aufstellen der Lehne nicht ein. Die ebene, aber nicht ganz waagerechte Ladefläche gibt ein Gepäckvolumen von 1.191 Litern frei, etwas weniger als bei den reinen Verbrennerversionen, aber immer noch genug für die meisten Transportbedürfnisse im Alltag.

Antrieb

Unter der Haube des Leon sitzt ein kombinierter Antrieb. Er setzt sich aus einem 1,4-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner und einem Elektromotor zusammen. Das E-Modul, 85 kW und 350 Newtonmeter stark, sitzt platzsparend zwischen dem Verbrenner und dem 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Der Benziner kommt auf eine maximale Leistung von 110 kW (150 PS). Als Systemleistung gibt Seat 150 kW (204 PS) an. Die Li-Ion-Batterie (Kapazität 12,8 kWh) wurde im Heck platziert.

Elektronik

Die MQB-Architektur des VW-Konzerns ermöglicht die Integration modernster Assistenzsysteme. Wie Golf, Passat und Co nimmt auch der Leon einem auf der Autobahn lästige Arbeit ab, hält automatisch die Spur und den Abstand zum Vorausfahrenden. Nähert sich von links ein schnelleres Fahrzeug, wird dies auf dem Ambiente-Leuchtband oben an der Türverkleidung angezeigt und warnt somit deutlich vor dem „Toten Winkel“.  Für gelegentliche Verwirrung sorgte hingegen die Verkehrszeichenerkennung und blendete ein Tempo 40 im Display ein, obwohl wir auf einem 100-km/h-Abschnitt fuhren. Grund: Die Kamera hielt das 40er-Zeichen, das für die Ausfahrt galt, für das korrekte Tempo.

Testbericht

Der Leon startet stets elektrisch, selbst wenn die Batterie nur noch einen kleinen Rest an Kapazität hat. Die Fahrt aus der Garage oder der Wohnstraße geschieht also leise und emissionsfrei. Bei vollem Akku lassen sich je nach äußerlichen Bedingungen gut 50 bis 60 Kilometer elektrisch zurücklegen, was einen weiten täglichen Einsatzbereich abdeckt. Wer den Leon jeden Abend ans Kabel hängt, muss unter der Woche den Benziner eigentlich nicht aktivieren. Auf längeren Touren fährt man den Leon dann wie einen ganz normalen Verbrenner. Sein Turbomotor hängt gut am Gas, läuft ruhig und hält sich sogar beim Verbrauch zurück. Mehr als sechs Liter gingen nur bei wirklich flottem Tempo durch die Einspritzdüsen.

Plug-in-Hybride haben den großen Vorteil, später einmal in sogenannten Umwelt- oder Sperrzonen für Verbrenner fahren zu dürfen, eben weil man elektrisch durch das entsprechende Revier rollen kann. Hierzu bedarf es aber einer gewissen Planung, besser gesagt, einer gewissen Restmenge an Strom. Ihn regelt der Batterie-Manager. Mit ihm kann man auf dem Display nicht nur den aktuellen Ladezustand konstant halten, sondern auch einstellen, wieviel Prozent an Kapazität man am Zielort noch haben möchte. Eine gute Sache. Denn diverse Male kam es vor, dass wir zwar im Hybrid-/Verbrennermodus unterwegs waren, doch sobald der Wagen abgeschaltet und wieder gestartet wurde, er stets von sich aus in den E-Modus wechselte und die Batterie leer zog. Schön wäre es beispielsweise, wenn das System anhand der Navigationsdaten merkt, dass man auf eine Autobahn fährt und ab diesem Punkt automatisch der Benziner die Arbeit aufnimmt und nicht in wenigen Kilometern die Batterie leer saugt.

Besonderes

Enges Rangieren, ob im Parkhaus oder anderswo, birgt stets die Gefahr, anzuecken. Zwar verfügt der Leon über eine Rückfahrkamera und diverse Sensoren piepen lauthals, wenn’s zu eng wird. Doch passiert reagiert man hier nicht rechtzeitig, bremst in letzter Konsequenz das Auto schließlich automatisch ab. Zwar in recht brutaler Manier, aber vermeidet eben auch eine blöde Beule im Blech. Auch beim rückwärtigen Ausparken in den fließenden Verkehr erkennt das System Gefahr von rechts und links, sei es ein Fahrradfahrer, Fußgänger oder ein Auto.

Fazit

Wer sich der Welt der Elektromobilität ein wenig nähern möchte, aber der Ladeinfrastruktur noch nicht ganz vertraut oder oft längere Strecken fahren muss, für den ist ein Plug-in-Hybrid wie der Seat Leon eine sinnvolle Investition. Schick im Design, gut in Qualität, Komfort und Package. Voraussetzung allerdings ist eine Lademöglichkeit zu Hause oder beim Arbeitgeber. Ansonsten fährt man nur aufwändige und teure Technik spazieren

Text:Michael Specht

Foto: Seat